Seit der Finanzmarktkrise wurde die soziale Verantwortung in eine Richtung rekodiert, wonach die erste soziale Verantwortung der Unternehmen darin besteht, ihren jeweiligen Wirtschaftsstandorten zu dienen respektive diese vor Schaden zu bewahren. Das hat Auswirkungen auf das Reputation Management von Unternehmen. Unter dem Begriff der „volkswirtschaftlichen Verantwortung“ wird die soziale Verantwortung in eine Richtung umgedeutet, wonach diese zwingend mit der ökonomischen Kompetenz verbunden sein muss, um glaubwürdig zu sein.

Um in der Öffentlichkeit als volkswirtschaftlich-verantwortliches Unternehmen wahrgenommen zu werden, müssen folgende zwei Kriterien erfüllt werden:

  1. Die Aktivitäten dienen den jeweiligen Standorten, an denen das Unternehmen tätig ist resp. helfen, diese vor Schaden zu bewahren.
  2. Die Aktivitäten werden konkret mit der unternehmensspezifischen Kompetenz und Expertise verbunden.

Seitens der einzelnen Unternehmen bedarf es damit beim Reputation Management einer besonderen Grundhaltung, die auf den ersten Blick durchaus als kontraintuitiv und wenig lohnenswert empfunden werden könnte.

Investitionen im Bereich der volkswirtschaftlichen Verantwortung…

  • können gerade in einer ersten Phase in der Öffentlichkeit durchaus mit Skepsis begleitet werden.
  • zahlen sich in der Regel nicht kurzfristig aus, sondern entfalten – wenn überhaupt – erst längerfristig eine positive Wirkung.
  • sind teilweise mit hohen Zusatzkosten verbunden, da insbesondere eine kontinuierliche Expertisevermittlung in gesellschaftlich relevanten Fragestellungen mit hohen Unterhaltskosten verbunden ist.
  • sind intern tendenziell schwierig zu begründen und in der inhaltlichen Umsetzung sehr anspruchsvoll, da sie nicht primär auf die Bewirtschaftung und Vermarktung der eigenen Produkte abzielen, sondern den gesamtgesellschaftlichen Nutzen der eigenen Organisation adressieren.

„License to operate“

Anspruchsvoll, teuer und auf den ersten Blick mit durchzogenen Aussichten auf eine Verbesserung der Reputation: Warum also sollte ein Unternehmen in seinem Reputation Management trotzdem gezielt in diesen volkswirtschaftlichen Verantwortungskreis investieren?

Weil sich eine volkswirtschaftlich-verantwortliche Positionierung für ein Unternehmen in entscheidenden Bereichen langfristig mehr als bezahlt macht:

  • Nachhaltigkeitsfaktor: Eine standortgetriebene «Corporate Responsibility» schafft eine deutlich stabilere Legitimitätsbasis als ein rein auf Effizienz getrimmtes unternehmerisches Handeln. Die aktive Übernahme volkswirtschaftlicher Verantwortung wird dadurch zum bestimmenden Faktor für das langfristige wirtschaftliche Überleben von Organisationen.
  • Reputationspuffer: Konkret mit der Vermittlung unternehmensspezifischer Kompetenzen und Expertise verbundene Aktivitäten schaffen einen risikoarmen Reputationspuffer und helfen dem Unternehmen, Reputationsrisiken auszugleichen.
  • Definitionsmacht: Unternehmen, denen eine überdurchschnittliche volkswirtschaftliche Verantwortung attestiert wird, haben es deutlich einfacher, in regulatorischen bzw. politischen Aushandlungsprozessen Gehör und Akzeptanz zu finden.
  • Handlungsspielraum: Bei einer intakten Wahrnehmung als volkswirtschaftlich-verantwortliches Unternehmen liegt die Schwelle für die Öffentlichkeit deutlich höher, sich in kritischer oder gar skandalisierender Weise mit dem Unternehmen und seiner Führung auseinander zu setzen.

Reputation Management: Volkswirtschaftliche Verantwortung als Krisenversicherung

Um in der Öffentlichkeit als volkswirtschaftlich-verantwortliches Unternehmen wahrgenommen zu werden, bedarf es also vor allem einer auf Langfristigkeit angelegten öffentlichen Positionierung. Diese entfaltet insbesondere in Krisenzeiten ihre volle Wirksamkeit.

Es macht darum für Unternehmen Sinn, Investitionen im Bereich der volkswirtschaftlichen Verantwortung als eigentliche Krisenversicherung zu betrachten. Diese Krisenversicherung zeigt sich für das einzelne Unternehmen dabei in der Regel nicht in überdurchschnittlich positiven öffentlichen Bewertungen, sondern in erster Linie als Distinktionsmerkmal gegenüber besonders negativ exponierten Unternehmen.

Damit einher geht die Bereitschaft, sich als «langweiliges» Unternehmen, dafür mit ausgeprägtem Fokus auf angestammte Kernkompetenzen und langfristige Geschäftsmodelle, präsentieren zu wollen. Eine in Krisenzeiten nicht ursächlich verdiente Positivkontrastierung zu besonders negativ exponierten Unternehmen und Konkurrenten wird dann zum Bumerang, wenn diese bei einer Normalisierung der öffentlichen Wahrnehmung nicht mit konkreten Aktivitäten eines vorbildlich volkswirtschaftlich-verantwortlichen Handelns unter Beweis gestellt werden kann.

Wertschöpfungsfaktor

Unternehmen, denen eine hohe volkswirtschaftliche Verantwortung attestiert wird, verfügen aber nicht nur über ein höheres öffentliches Ansehen, sie performen auch wirtschaftlich deutlich besser. Zwar kann eine historische Simulation, die nur auf börsenkotierte Unternehmen abstellt, als Beweisführung für eine die ganze Schweizer Wirtschaft adressierende These nicht abschliessend genügen, dennoch liefert sie starke Indizien dafür, dass sich eine entsprechende öffentliche Wahrnehmung tatsächlich auch in ökonomischer Hinsicht stark überdurchschnittlich auszahlt.

Anreiz genug also für eine «Corporate Responsibility», die mehr sein sollte als ein vielleicht zwar trendiger, aber möglicherweise wenig profilkonformer Aktivismus in karitativen oder ökologischen Belangen. Vielmehr muss eine auf die volkswirtschaftliche Verantwortung ausgerichtete «Corporate Responsibility» die eigene ökonomische Leistungsfähigkeit und Kompetenz stets zum Wohl prioritär jener Standorte und Volkswirtschaften einsetzen, die dem Unternehmen Gastrecht gewähren.

 

Mehr Infos:

Volkswirtschaftliche Verantwortung als Wertschöpfungsfaktor. Reputation und öffentliche Wahrnehmung der Schweizer Wirtschaft im Wandel.

Studie im Auftrag der Suva, Dezember 2018.